Bauer und Bäuerin als Multitalent.

Bäuerinnen und Bauern sind Multitalente. Weil sie viele Fähigkeiten und Einzelberufe in einem Beruf vereinen. Der zugleich meist auch Berufung ist. Beispiele gefällig? Bäuerinnen und Bauern sind heute: Lebensmittelerzeuger und -verarbeiter, Landschafts- und Tierpfleger, Forstwirte, Mechaniker, Betriebswirte, Marketing-Strategen, Kinderbetreuer, Altenpfleger und vieles mehr. Je nach Betriebsausrichtung das eine mehr, das andere weniger. Und oftmals sind sie auch Vereinsobleute, Bürgermeister und Vordenker. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ziemliche viele Talente und Fähigkeiten sind heutzutage nötig, um einen landwirtschaftlichen Betrieb gut führen zu können. Das war aber nicht immer so. Zumindest auf den ersten Blick nicht. Und damit wollen wir beginnen.

Auch früher waren am Bauernhof schon Multitalente am Werk – damals war noch wesentlich mehr Handarbeit notwendig.

Früher war es so, dass meist der älteste Sohn den Hof von den Eltern übernommen hat. Eine gute Ausbildung war dafür nicht vorgesehen. Viel mehr schon die Arbeitskraft, sobald man eben anpacken konnte. Eine gute Ausbildung war eher den weichenden Kindern überlassen, im besten Fall einem Sohn, der Pfarrer wurde und studieren durfte. Die Bauernhöfe waren zum großen Teil der Selbstversorgung verschrieben, bewirtschaftet wurden sie so, „wie der Vater es auch schon gemacht hatte.“ Ein bekanntes Sprichwort in der Landwirtschaft. Das bringt uns zu einer Geschichte von unserem Hof. Martin´s Opa Josef (letztes Jahr leider im 94. Lebensjahr verstorben) übernahm den Hof als drittältester Sohn. Der älteste Sohn hatte eine Kriegsverletzung an der Hand, somit sollte der zweitälteste Sohn Franz übernehmen. Warum das so nicht passierte? Da gibt es mehrere Erzählungen. Erstens weil Franz erst einige Jahr später vom Krieg heimkehrte und Josef schon gut im Betrieb integriert war. Zweitens, weil Franz „weltoffener“ war (das hat sich später in seinem Pioniergeist für die biologische Landwirtschaft gezeigt – siehe 50 Jahre Biohof Kappel-Eine Zeitreise durch die Geschichte). Und drittens – hier kommt die Erzählung von Martin´s Opa: weil er als erstes mit einer Frau nachhause gekommen ist. So war das eben früher.

Heute hat sich das verändert. Einerseits ist eine gute Ausbildung wesentlich verbreiteter als früher. War es in früheren Zeiten sehr selten, dass man mit einer Matura oder einem Studium einen Bauernhof übernommen hat, kommt das heute viel häufiger vor. Auch heutzutage ist es so, dass man mit einer guten Ausbildung außerhalb der Landwirtschaft meist mehr verdient als am Bauernhof. Beim Beruf Bauer oder Bäuerin spielen aber viele andere Faktoren mit, wie zum Beispiel die Selbstverwirklichung, die Familie, den Arbeitsplatz  zuhause zu haben und so weiter.

Martin hat das öfters gehört, dass man mit einer Matura und vor allem mit einem Studium nicht mehr Bauer wird.

Andererseits sind heute die Erfordernisse an die Betriebsführung andere als früher. Die Landwirtschaft hat sich wie so vieles in unserem Leben massiv verändert. Da spielen viele Einflussbereiche mit: die Technisierung, Industrialisierung und Digitalisierung, die globale Vernetzung, der höhere Wohlstand und vieles mehr. Das bringt uns wieder zum eigentlichen Thema. Wo wir an einigen Beispielen zeigen wollen, welche Talente Bäuerinnen und Bauern heutzutage brauchen.

Lebensmittelerzeuger.

Der eigentliche Sinn des Berufs, der manchmal etwas in den Hintergrund gerät. Etwas zu essen braucht man schließlich jeden Tag. Ein Bauernhof ernährt heutzutage im Schnitt über 100 Menschen – ein Ergebnis der Arbeitsteilung und der Technologieentwicklung. Wir erzeugen bei uns am Hof Urprodukte wie Rohmilch, Getreide und Eier und  einige weiterveredelte Lebensmittel wie Brot und Gebäck, Topfen, Joghurt und Apfelsaft.

Monika ist bei uns am Hof das Multitalent für die Direktvermarktung in der Backstube und im Hofladen.

Landschaftspfleger.

Ein „Nebenprodukt“ der Lebensmittelerzeugung ist die Landschaftspflege. Gerade in Tourismusgebieten ist sie die Grundlage, dass Urlauber kommen. Wirklich zu schätzen weiß man sie jedoch meist erst, wenn sie nicht mehr gemacht wird. Und Flächen verwalden oder nur mehr gemulcht werden. Als Ausgleich gibt es öffentliche Zahlungen und in manchen Gebieten bereits Leistungsabgeltungen von Tourismusverbänden.

Landschaftspflege.

Betriebswirt.

Als Landwirt ist man selbstständig. Man muss sich also seinen Lohn selbst verdienen. Und die Steuern und die Sozialversicherung auch. Gleich wie ein Unternehmer in anderen Arbeitsbereichen. Dafür ist man auch sein eigener Chef, macht die Arbeit für sich selbst und kann sich die Zeit frei einteilen. Schwierig wirds, wenn zu wenig Geld hereinkommt. Gebäude und Maschinen können nicht erneuert werden, laufende Kredite nicht bezahlt werden. Ein Teufelskreis, bei dem der Betrieb in Schwierigkeiten geraten kann. Die Abgeltung der eigenen Arbeitszeit kann lange ein Puffer sein, aber von irgendwas muss man schließlich auch leben.

„Wer schreibt, der bleibt“. Ein bekanntes Sprichwort. Dass jeder Landwirt ein Unternehmer ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Manche wollen das nicht hören, schwingt doch dabei auch der Bürokratismus mit. Als Landwirt muss man heute seine Zahlen kennen. Dafür ist es nötig, diese auch zu erfassen. Wir sind zum Beispiel Mitglied beim Arbeitskreis Milchviehhaltung der Landwirtschaftskammer, wo man sich auch mit anderen Betrieben vergleichen und voneinander lernen kann. Und wir sind Mitglied beim Landeskontrollverband, wo ein Mal pro Monat der sogenannte Milchkontrollor kommt und die Milchmenge und –qualität von jeder Milchkuh bestimmt.

Andreas: bei uns am Hof das Multitalent im Stall und am Feld.

Marketing-Stratege.

Spätestens wenn man die hofeigenen Produkte direktvermarktet und nicht nur an den Verarbeiter oder Großhändler liefert, muss man sich auch ums Marketing kümmern. Natürlich kann man sich dafür auch Profis dazu holen, aber das authentische Bild über den eigenen Hof muss man immer noch selbst im Kopf haben. Zum Marketing zählt auch die Öffentlichkeitsarbeit. Wie wir sie zum Beispiel mit unseren Hofgeschichten betreiben.

Martin beim Verfassen einer Hofgeschichte.

Mechaniker.

Wir haben bei uns viele Maschinen im Einsatz. Zwei Traktoren, einen Hoftrac, einen Kipper, einen Miststreuer, ein Güllefass, ein Mähwerk, einen Motormäher, einen Kreiselschwader, einen Kreiselheuer, einen Ladewagen, eine Kippmulde, eine Seilwinde und einige weitere kleinere Geräte. Da gibt es immer etwas zu tun. Regelmäßig abschmieren, Pickerl machen, einwintern oder es wird etwas kaputt. Jedes Mal extra in die Werkstatt fahren wäre zeitaufwändig und finanziell oft schwer machbar. Daher bedarf es handwerklicher Fähigkeiten, die je nach Ausprägung am Bauernhof sehr gut eingesetzt werden können.

Hier war der Kratzboden vom Miststreuer zu reparieren.

Das waren jetzt einige Berufe, die sich in der Berufung Bauer oder Bäuerin gut vereinen lassen. Wir wollten euch damit zeigen, was es heutzutage alles braucht, um einen Bauernhof gut führen zu können. Und neben dem Fachwissen oft auch den sprichwörtlichen Blick über den Tellerrand. Damit man es nicht nur so macht, „wie es schon immer gemacht wurde.“

Autor: hofgeschichten

Hofgeschichten. Die Geschichten vom Höllpaulihof. Erzählt von Sophie und Martin. Wer wir sind? Ein Pärchen aus der Steiermark, das dieselben Interessen und Faszinationen teilt, und doch so einige Unterschiede aufweist. Martin ist groß, Sophie ist klein. Sie kommt eher aus der Stadt, er ist ein Landkind. Er liebt Sport, Brauchtum und Feierlichkeiten, sie die Gemütlichkeit von lauen Samstagabenden im Bett und kreative Bastelstunden zu Hause. Gemeinsam haben wir die Liebe zur Natur und zur Landwirtschaft, über die wir in diesem Blog berichten.

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